Von Kriacherl und Kelten

Perfektes Wetter um endlich einen interessanten Platz meiner Heimatstadt zu besuchen. Offen gesagt gibt dort nicht viel zu sehen, aber ich finde den Platz dennoch spannend da wir mehr oder weniger täglich daran vorbei kommen und nur wenigen bewusst ist, dass dort eine der ersten nachgewiesenen menschlicher Besiedlung in der Region stand. Ein paar hundert Meter hinter der Autobahnauffahrt Bruck West, auf einer unscheinbaren Fläche, mitten zwischen Strommasten, Windräder, landwirtschaftlich genutzten Flächen und Autobahnzubringer verbirgt sich einen Meter unter der Erde eine kleine keltische Siedlung der jüngeren Eisenzeit.

 

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Die jüngere Eisenzeit, die sogenannte Latènezeit stellt den letzten Abschnitt der Urgeschichte vor dem Übergang in die von der römischen Kultur geprägten Periode dar. Die Fachwelt spricht bei der kleinen Siedlung von einem Zeitrahmen im sogenannten Latène C1. Die Siedlung dürfte daher grob von der ersten Hälfte des dritten bis etwa in die Mitte des zweiten Jahrhunderts vor Christus bewohnt gewesen sein. Also lange vor der Ankunft der Römer in der Region. Das römische Reich hat seinen Machtbereich erst in den Jahrzehnten um Christi Geburt bis an die Donau ausgedehnt. Während die Römer noch gegen Hannibal kämpften, siedelten sich zwischen Bruck und Göttlesbrunn rund 40 Menschen an, die wahrscheinlich dem Stamm der keltischen Boier angehörten. Wir müssen uns die Siedlung als ein größeres Gehöft vorstellen wobei die Menschen hauptsächlich landwirtschaftlicher Tätigkeit nachgingen. Sie ernährte sich von den Erträgen des Ackerbaus und den Produkten ihrer kleinen Viehherden – wohl nur jeweils einige Stück Rinder, Schafe, Ziegen und Schweine.

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Neben der Versorgung der eigenen Bedürfnisse dürfte die Siedlungsgemeinschaft einen gewissen Überschuss an landwirtschaftlichen Produkten erzeugt haben. Diesen tauschten sie gegen Güter, die in der Siedlung nicht selbst produziert wurden. Da Nachweise für eine eigenständige Herstellung von Metallwaren nicht vorliegen und die Eigenproduktion von Glaserzeugnissen ebenfalls nicht gesichert ist, könnte es sich bei den gefundenen Objekten (Armringen usw.) hauptsächlich um Tauschgüter handeln. Der Platz selbst ist an sich ideal gelegen, gleich hinter der Siedlung verläuft das Urbett des Göttelsbrunner-Baches, sprich die Menschen hatten ihr Wasser direkt vor der Haustüre, dahinter liegt eine kleine Erhebung.

 

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Im Rahmen der Ausgrabungen 1989-1995 konnten insgesamt 175 Objekte untersucht werden. Es handelt sich dabei vorwiegend um Pfostengruben, die teilweise zu Grundrissen von obertägig errichteten Bauten zusammengefasst werden können. Es lässt sich annehmen, dass der große Pfostenbau als Wohnstätte erheblich komfortabler ausgestattet war als die ebenfalls als Wohnbauten genutzten, tieferen Objekte. Die sozialen Unterscheide der keltischen Gesellschaft zwischen dem Hofbesitzer und seinen unmittelbaren Angehörigen und sozial untergeordnete Angestellte, Pächter und Sklaven sind von anderen Grabungen bestens dokumentiert. Neben den Wohnräumen fanden sich in den Boden eingetiefte „Grubenhütten“ sowie Vorrats- und Arbeitsgruben und zwei Töpferöfen. Andere tiefer liegende Gruben könnten als Werkstätten für weitere Handwerke (z. B. Weberei, Backstube, Töpferei etc.) genutzt worden sein. Auch eine Funktion als kühle Lagerräume bzw. Keller unter obertägig errichteten Bauten ist nicht auszuschließen.

Die Untersuchungen die im Zuge des Autobahnbau getätigt wurden, konnten allerdings noch immer nicht die Grenzen der Siedlung erreichen. Es besteht die berechtigte Annahme, dass sich die Siedlung über das untersuchte Areal hinaus erstreckt, vor allem nach Osten zu. Eventuell lässt sich hier eines Tages das „erste“ Bruck ergraben. Wie gesagt ich finde das gesamte Areal interessant da hier Menschen lange vor den ersten Römern in der Region lebten. Als Bewohner der Region wird einem ja mehr oder weniger vermittelt das die Stunde Null mit dem Römern begann. Stimmt aber nicht, rund 200 Jahre vorher gab es bei Bruck schon einen kleine Siedlung.

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Was mich persönlich besonders erfreut sind die zahlreichen Kriecherlbäume rund um die historischen Siedlung. Kriacherl sind eine Wildobstsorte die in Mitteleuropa schon immer heimisch war, sprich im Gegensatz zu Kirsche usw. nicht von den Römern gebracht wurde. Wenn man dort neben dem Göttlesbrunner-Bachl sitzt, ein paar Kriacherl isst bekommt man ein wenig das Gefühl wie die ersten „Brucker“ vor rund 2200 Jahren hier lebten. Lange vor Carnuntum und unserer Kaiservilla.

Quellen: Bachmann, Karl. Archäologie Österreichs Spezial 1995

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