Bemerkenswert wie europäische Geschichte ineinander verflochten ist. In Essex, genauer gesagt im Dorf Coggeshall, lernte ich einen älteren Herrn kennen der sich zur Aufgabe gemacht hat die mittelalterliche Coggeshall Abbey wieder instand zusetzen. „Roger the Lodger“, ein rührender Sir der auf seinem englischen Landsitz lebt und sich um seine Pferde kümmert. Typische englische Countryside, mit Hunden, Ölgemälden, Gummistiefel, Rosenzucht und allen was so dazugehört. Wir wollten die ehemalige Abtei besichtigen und bekamen glücklicherweise eine Privatführung. Angefangen beim original Tudor-Fenster aus elisabethanischen Zeitalter, antike römischen Säulen die verbaut wurden, Tempel-Ritter auf Eschenholzböden bis hin zum schwarzen Tod. Eine spannende Geschichte in einem spannenden Gebäudekomplex.
Die Coggeshall Abbey ist eines von von dreizehn englischen Häusern des Ordens von Savigny, sprich ein ehemaliges Zisterzienserkloster. Gegründet wurde die Abtei im Jahre des Herrn 1140. Im Laufe der Führung und des Gesprächs stellte sich heraus das der sechste Abt, Ralph von Coggeshall, am dritten Kreuzzug gegen Saladin (Rückeroberung Jerusalems) teilgenommen hat und darüber mehrere Chroniken verfasste.
Ist natürlich für einen an Geschichte interessierten Österreicher bemerkenswert. Wie wir ja wissen hat unser Leopold V ebenfalls an dem Kreuzzug teilgenommen und uns vor Akkon (so will es die Legende) unsere heutige Fahne erkämpft. Der nachfolgende Affront ist ja bekannt, Leopold setzte seine Fahne neben den Flaggen von Phillip von Frankreich und Richard Löwenherz. Der englische König warf die Babenberger-Fahne kurzerhand vom Burgturm, immerhin spielte der Herzog im heiligen Land keine so bedeutende Rolle wie die beiden Könige. Am Heimweg nach England 1192 musste Richard III mit kleinem Gefolge von Aquileia aus den Landweg über Österreich einschlagen und kam über den Semmering bis nach Wien-Erdberg. Dort wurde der englische König gefangen genommen und in Dürnstein festgesetzt. Das Lösegeld von unfassbaren sechstausend „Eimern“ Silber (rund 23 Tonnen) wurde in ganz England gesammelt, auch von der Coggeshall Abbey, und anschließend übergeben.
Vor ein paar Tagen war ich nicht nur in Coggeshall sondern auch in Wiener Neustadt. Die mittelalterlichen Befestigungsanlagen (die derzeit saniert werden) von Wiener Neustadt wurden wie die Stadt selbst, mit einem Teil des englischen Lösegeldes finanziert. Bemerkenswert wenn man bedenkt das mit den Erlösen der Schafzucht eines englischen Klosters, die Mauern zu Wiener Neustadt errichtet wurden.
Die Abtei selbst wurde im Laufe der Jahrhunderte schwer von der Pest in Mitleidenschaft gezogen und war um 1370 verarmt. Während der englischen Bauernrevolte 1381 wurde das Anwesen und die Gutshöfe geplündert. Im Jahr 1538 wurde das Kloster von der Krone eingezogen und anschließend Sir Thomas Seymour, einen Gefolgsmann von Elizabeth Tudor überlassen.
Heute werkt eben Sir Roger an der Abtei, die er mit seiner Frau bewohnt, und freut sich wenn jemand an dem Gebäude interessiert ist. Also, wenn ihr zufällig in die Nähe kommt besucht doch Roger und denkt an Ralf der einen Teil unserer gemeinsamen europäischen Geschichte aufgeschrieben hat.