Ein Treubruch, dessengleichen die Geschichte nicht kennt“, empörte sich Kaiser Franz Jospeh in einem Manifest anlässlich der Kriegserklärung aus Rom. Obwohl es seit 1882 im sogenannten Dreibund mit dem Deutschen Reich und Österreich-Ungarn stand, erklärte am 23. Mai 1915 das bislang neutrale Italien Österreich-Ungarn den Krieg. In Italien sprach man von einem „sacro egoismo“, dem heiligen Egoismus nationaler Politik um die Grenzen Italiens auszuweiten. Die k&K Armee war auf eine zusätzliche Front im Süden nicht vorbereitet und an der Grenze zu Italien gab es keine größeren Abwehrmaßnahmen. Was folgte waren die bekannten Schlachten in den Dolomiten und natürlich die Reihe der sogenannten Insonzo-Schlachten. Die Entente war natürlich am Aufbau einer weiteren Front gegen die Österreich-Ungarn interessiert, immerhin wurden hier österreichische Kräfte gebunden die anderswo fehlten. Somit wurden im Vorfeld fast alle Gebietsforderungen Italiens genehmigt. Heute liegen Südtirol und Teile Istriens in Italien.
Bei den italienischen Soldaten handelte es sich zumeist um arme Teufel aus dem Mezzogiorno (Süditalien) die den Blutzoll gegen Österreich-Ungarn zahlten. Während der ersten Schlachten am Isonzo wurden natürlich zahlreiche italienische Kriegsgefangene gemacht die man in weiterer Folge in der gesamten Monarchie verteilte. So komme ich jetzt endlich nach Bruckneudorf – Kiralyhida. Das damalige Brucker Lager, ohnehin schon eines der größten in der Monarchie, expandierte im ersten Weltkrieg enorm. Das neue Barackenlager, das Lagerspital und das Kriegerdenkmal wurde in dieser Zeit errichtet. Selbstverständlich zog man hierfür, im Einklang mit der Haager Landkriegsordnung, die Arbeitskraft der Kriegsgefangenen heran. In Bruckneudorf wurden für den weiteren Ausbau des Lagers extra 50 italienische Maurer und Steinmetze angefordert. 1915 wurden bei der Brucker „Abzweigung“ Baracken errichtet um die Gefangenen, die man für Gleisbauarbeiten beschäftigte, in der Nähe der Arbeitsstelle hatte. Gefangene des Mannschaftsstandes regulierten den Aubach und wurden zur Arbeit auf die Felder der Gutshöfe und in die verschiedenen Steinbrüche geschickt. Am Schieferberg-Bruch zwischen Bruckneudorf und Jois haben sich italienische Kriegsgefangenen verewigt. In eine Steinwand meisselten sie die Worte:
Ricordo dei Prigionieri di Guerra Italiani – 1914 -15- 16. Anni di (..) –
(Erinnerung an die italienischen Kriegsgefangenen 1915 -15- 16.)
Am Ende des ersten Weltkrieg befanden sich in Kiralyhida, im Lager Kaisersteinbruch und in Bruck an der Leitha rund 3000 Kriegsgefangene. Ich sage jetzt einmal ganz lapidar das es die Männer in Gefangenschaft wahrscheinlich weit besser hatten als jene die in den Schützengräben bei Monfalcone lagen, im Dreck von Galizien zwischen Gorlice und Tarnow oder in den Dolomiten zerfetzt wurden. Aber natürlich verstarben auch in Bruck / Bruckneudorf italienische Gefangene. Diese wurden auf dem örtlichen Friedhof beigesetzt, genauer gesagt auf dem Teil der heute unter dem Namen „Heldenfriedhof“ bekannt ist. Selbstverständlich liegen dort nicht nur Italiener sondern auch Serben, Rumänen und Russen. Das Gros der Verstorbenen bildet natürlich die an ihren Verwundungen erlegenen Soldaten der k&k Armee die im damaligen Lagerspital Kiralyhida für Gott, Kaiser und Vaterland verreckten. Um genau zu sein liegen 542 Soldaten der k&k Monarchie, 183 Russen, 76 Serben, 100 Rumänen und 2 Männer aus Montenegro am Soldatenfriedhof. Bei den Italiener gehen die Zahlen auseinander. Während am Obelisken selbst die Zahl der Verstorbenen mit 103 genannt wird – Centotre – sind am 1960 errichteten Gedenkstein nur 92 Italiener vermerkt.
Der erste Weltkrieg ging zu Ende, die Monarchie zerfiel. Die Bewachungsmannschaften der Gefangenen führten ihren Dienst nicht mehr aus und plünderten gemeinsam mit den italienischen Gefangenen die Eisenbahnwaggons bei der Abzweigung. In Bruck wurde eine Bürgerwehr in das Leben gerufen, doch die Vernunft siegte. Die Gefangenen erhielten das Versprechen ab baldigen Heimkehr und wurden von der Stadt mit Nahrung versorgt. Rund 600 Italiener traten tatsächlich wenige Tage später ihre Heimreise an. Von der Monarchie geblieben sind in Bruckneudorf neben der Königsbüste Franz Josephs natürlich auch die Grabstätten der armen Teufel aus Neapel, Bari und Reggio. Anfangs stand inmitten der italienischen Grabstätten nur ein einfaches Holzkreuz. Im Jahre 1927, in Italien waren bereits die Faschisten unter Benito Mussolini an der Macht, beschloss der italienische Botschafter in Wien, Giacinto Auriti, die Grabstätten seiner Landsleute entsprechend zu ehren und neu zu gestalten. Giacinto Auriti war in der Zeit von 8. Juli 1926 bis zum 27. Oktober 1932 italienischer Gesandter in Wien. Wenn man sich mit der Geschichte der Ersten Republik beschäftigt und weiß das im Juni 1932 Heimwehrführer Ernst Rüdiger Starhemberg Mussolini um Waffen gebeten hat, kann man sich denken das auch Auriti eine Rolle in der Hirtenberger Waffenaffäre spielte. Somit kann man annehmen das auch Auriti seinen Teil zum Untergang der Ersten Republik beitrug. Das ist aber ein andere Geschichte.
Auriti war auch ein kunstsinniger Mensch, als leidenschaftlicher Kenner westlicher und fernöstlicher Kunst gehörte er zu den größten Sammlern von asiatischen Bronzeartefakten und Bronzen der europäischen Renaissance. Die Sammlung von Auriti kann man heute im Museum des Palazzo Venezia in Rom bewundern. Auriti war ein an Kunst und Kultur interessierter Mensch und somit dürfte sich auch sein Bestreben erklären in Bruckneudorf einen, dem damaligen Zeitgeist entsprechenden Gedenkstein zur Ehrung seiner verstorbenen Landsleute aufzustellen.
Im August des Jahres 1927 war es nun soweit. Am Friedhof wurde der Obelisk errichtet und mit einem Festakt eigeweiht. Das Denkmal ist rund 2 Meter hoch. Links am Stein befindet sich das Wappen des Haus Savoyen und markiert so Viktor Emanuel III. (Italienischer König von 1900 bis 1946). An der rechten Seite sehen wir ein Liktorenbündel mit Axt. Die Fasces (Liktorenbündel mit Axt), waren ursprünglich das Amtssymbol der höchsten Machthaber im antiken römischen Reich und wurde von der italienischen Partito Nazionale Fascista als Symbol ihrer Partei verwendet. Deswegen auch die Bezeichnung „Faschismus“.
Über die den Gedenkstein schriebt der Bezirksbote in seiner Ausgabe vom 11. September 1927:
Einweihung eines Obelisken und von Grabkreuzen auf dem Friedhof in Bruckneudorf.
Am 24. v. M. fand in Bruckneudorf die feierliche Übergabe des Kriegerfriedhofes statt, auf dem unter anderen 103 italienische Kriegsgefangene beerdigt sind. Inmitten der Gräber wurde an Stelle des provisorischen Holzkreuzes ein Obelisk errichtet mit der Inschrift: „Den italienischen Gefallenen — das dankbare Vaterland.” Zu Füßen des Obelisken waren zahlreiche Blumengewinde niedergelegt worden. An der Feier nahmen teil der italienische Gesandte Auriti, Vertreter der Landesregierung, des Bundesheeres, der italienische Konsul Rainaldi, Delegierte des Wiener Fascio und des österreichischen schwarzen Kreuzes, sowie zahlreiche in Wien anwesende Italiener, der Bürgermeister von Bruckneudorf, Heinrich Sachs und der Obmann des Komitees zur Erhaltung der Kriegergräber in Bruckeudorf, Oberleutnant d. R. Wastl Sterner. Nach einer Feldmesse empfahl der italienische Geistliche mit einer Ansprache, in der er darauf hinwies, daß auch die österreichischen Kriegergräber in Italien gepflegt werden, den Obelisken der Obhut der Bevölkerung. Nachdem noch die Gräber gesegnet hatte, sprachen noch der Gesandte Auriti, der Vertreter des österreichischen Bundesheeres, der Vertreter des österreichischen schwarzen Kreuzes, Bürgermeister Heinrich Sachs und auch der Obmann des Komitees zur Erhaltung der Kriegergräber, Oberstleutnant d. R. Wastl Sterner.
Im Jahre 1960 wurde der Kriegerfriedhof neu gestaltet. Die Gedenksteine wurden gereinigt und eine Nachgravierung und Neueinfärbung der Inschriften vorgenommen. Bei der zusätzlichen Marmortafel die im Zuge der Neugestaltung am Obelisken montiert wurde, wurde allerdings recht frei übersetzt. Am Originalstein lautet die Inschrift: 103 italienische Soldaten schlafen hier den ewigen Schlaf. Das weit entfernte Vaterland wird sich immer an sie erinnern und verehren. Die Anzahl der Toten und die Verehrung wurde an der neuen Tafel weggelassen. Ich nehme an man war sich über die genau Zahl der Begrabenen nicht einig.
Ich finde das der Hintergrund des Steins eine interessante und bemerkenswerte Geschichte ist, vor allem da Bürgermeister Sachs mosaischen Glaubens war. Sprich im kleinen Bruckneudorf hat ein demokratisch gewählter Jude gemeinsam mit Faschisten in einer katholischen Zeremonie einen Gedenkstein für die Gefallenen einer Monarchie eingeweiht. Europäische Geschichte im kleinen Bruckneudorf.